Führungskommunikation ist für den Erfolg von Führung essentiell. Wie immer ist die richtige Dosis zu favorisieren. Eine Studie weist nun aus, dass man aber als Führungskraft besser zu viel als zu wenig kommuniziert. Nachfolgend wird dies näher erläutert.

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Wie häufig sprechen Sie mit Ihren Mitarbeitenden? Können sie ermessen, wie viel Informationsbedarf besteht? Sind Sie sicher? Denn Studien legen nahe, dass Führende den Bedarf an Kommunikation deutlich unterschätzen. Und wie bewerten es die Geführten, wenn Sie zu viel in deren Augen aufgabenbezogen kommunizieren? Leadership Insiders widmet sich heute der Intensität der Führungskommunikation und gewährt überraschende Einsichten für den Führungsalltag.

“The great enemy of communication, we find, is the illusion of it” 

William H. Whyte

Die Ausrichtung der Führungskommunikation

Führungskräfte müssen stets entscheiden, was und wie viel sie gegenüber ihren Mitarbeitenden kommunizieren wollen. Da ist zunächst der Inhalt der Mitteilung. Geht es um einen Arbeitsauftrag, geht es um das Verhalten gegenüber dem Kunden usw. Was soll dabei vertiefend angesprochen werden, was nur peripher? Welcher Ton soll gewählt werden? Wie lang soll das Gespräch oder der Text sein, das/der sich an den Mitarbeitenden richtet? Und letztendlich: Wie häufig bzw. intensiv kommuniziere ich in derselben Sache?

Alles wichtige Fragen. Francis Flynn und Chelsea Lide (2022) von der Stanford University haben diesen uns allen vertrauten Fragen nun eine originelle Perspektivenwende gegeben. Sie beschäftigen sich mit der aufgabenorientierten Kommunikation. Bei ihnen geht es nicht darum, was wie dort kommuniziert wird, sondern sie sehen das „Wie viel“ in der Kommunikation als einen Einflussfaktor, inwieweit die kommunizierende Person als Führungsperson wahrgenommen wird. Anders formuliert: Hängt die Anerkennung von Führerschaft davon ab, ob umfangreich oder knapp kommuniziert wird?

Sie gehen zunächst davon aus, dass es keinen objektiven Maßstab dafür gibt, wie viel Kommunikation Mitarbeitende benötigen. Dazu sind die mitarbeiterseitigen Voraussetzungen zu divers. Stattdessen sei jeder einzelne Mitarbeitende separat zu brachten. Dass erinnert uns sehr an die Dyadentheorie der Führung, die ebenfalls den Erfolg eines, hier allerdings: einheitlichen Führungsstils bezweifelt und postuliert, dass Führende jeweils unterschiedliche Beziehungen zu einzelnen Teammitgliedern unterhalten, um erfolgreich zu sein. Diese Grundlogik greift auch hier, allerdings bezogen auf die Notwendigkeit des Umfangs der Kommunikation zu den Mitarbeitenden. Also: Wie viele Informationen sollten geteilt werden?

Für jeden Mitarbeitenden existiert danach ein optimales Maß in der quantitativen Intensität der Kommunikation mit ihm oder ihr, unabhängig von der Relevanz der Information zur Bearbeitung der Aufgabe. Weicht die Kommunikation davon ab, tritt entweder der Fall eines „zu wenig“ oder der eines „zu viel“ an Kommunikation auf. Man wird diese Abweichung vom Optimum, solange die Geführten ihren Bedarf nicht gezielt artikulieren, faktisch als einen Regelfall im Führungsalltag unterstellen dürfen, da der optimale Punkt nur subjektiv erfahrbar und damit von außen nur annäherungsweise, wenn überhaupt, ersichtlich ist. Während der Fall eines „zu wenig“ an Informationen hinsichtlich dysfunktionaler Wirkungen leicht nachvollziehbar ist, ist dies bei einem „zu viel“ weniger klar, denn es könnte ja argumentiert werden, dass man das Unwichtige mitarbeiterseitig leicht ausblenden kann. Forschungen zeigen aber, dass es nicht nur zu einem „Information Overload“ kommen kann, weil einzelne Informationen eben nicht beiseite gewischt werden können, sondern weil ein „zu viel“ an Informationen ein Gefühl des Micromanagement seitens des Vorgesetzten induzieren kann, die das Autonomiebedürfnis und die Kompetenzselbsteinschätzung des Mitarbeitenden verletzt. Fürsorgliche Patronage bewirkt Ähnliches, nur müsste man hier statt eines Kontrollbedürfnisses eine wohlwollendere Intention unterstellen.

Beides ist also nicht optimal, wirft aber die Frage auf, ob die Abweichung nach einer der beiden Seiten in ihrer Bedeutung gleich für die Zuschreibung von Führerschaft ist, oder ob Unterschiede dahingehend existieren, was von einer Führungskraft (nicht) erwartet wird, um als eine solche wahrgenommen zu werden. Wüsste man dies, könnte man die Wahrscheinlichkeit einer ungünstigen Attribution zwar nicht im Einzelfall, aber statistisch für die Summe der Mitarbeitenden verringern, indem stets im Zweifel die Richtung (Unterkommunikation/Überkommunikation) gewählt würde, die sich empirisch als vorteilhafter erweist.

Kommunikation im Führungsalltag

Ein höchst relevantes Problem, denn der Führungsalltag ist für Führungskräfte extrem durch Kommunikation geprägt – je höher der Rang, umso mehr. Diese Kommunikationsarbeit der Führenden richtet sich natürlich nicht nur an einzelne Geführte oder Teammitglieder, sondern gleichsam an Kolleginnen und Kollegen, eigene Vorgesetzte, Lieferanten, Kunden, Mitarbeitende, Projektgruppen usw. Für die Gruppe der Mitarbeitenden, um die es an dieser Stelle geht, weiß man jedoch, dass von ihnen primär eine „Unterkommunikation“ wahrgenommen wird (vgl. z. B. schon früh Gilovich/Savitsky/Medvec 1998). Führungskräfte unterliegen hier nämlich einer Verzerrung, die darauf hinausläuft, anzunehmen, dass das, was sie gesagt haben, auch verstanden wurde. Man könnte dies als ein simples, objektiv-technisches Verständnis von Kommunikation begreifen, was an der Sache regelmäßig vorbeigeht.

Warum funktioniert diese Annahme so nicht? Weil ohne tatsächliche Gewissheit dasselbe Niveau der Verarbeitung von Informationen und ihrer Einordnung unterstellt wird, wie es für den, der kommuniziert, selbst typisch ist. Des Weiteren liegt es an fehlenden Kontextinformationen beim Empfänger, um das Gesagte und Gehörte (nicht zwingend identisch im Übrigen) überhaupt vernünftig einzuordnen sowie an der Annahme, dass dieselbe Expertise auf der anderen Seite vorhanden sei, die man selbst besitzt, und wodurch die einzelnen Informationen erst ihren Sinn erhalten. Schlichter kann es aber auch einfach daran liegen, dass man selbst unfähig ist, für Dritte sprachlich verständlich zu kommunizieren (u. a. Unwichtiges minutenlang ausbreitet und das Wesentliche nur streift).

Befund und Fazit

Nach verschiedenen Studien kommt das Forschungsteam zu dem Schluss, dass eine Unterkommunikation für Führende gefährlicher ist, da die Geführten es mit mangelndem Einfühlungsvermögen verbinden. Und die Zuschreibung von Einfühlungsvermögen ist wiederum eng mit der Zuerkennung von Führerschaft verbunden. Einfacher formuliert: Wer in den Augen der Geführten nicht empathisch ist, scheitert am hinterlegten Führungsbild, was die Geführten im Kopf haben. Die Folge: Führung wird mit dieser Person weniger stark verbunden. So können Flynn/Lide (2022) auch im Rückgriff auf andere Studien formulieren:

„Einfühlungsvermögen wurde als ein Schlüsselfaktor für die Bewertung von Führungskräften identifiziert“

Damit wird geführtenseitig die Auffassung verbunden, dass empathische Führungskräfte die individuellen Ziele der Mitarbeitenden besser berücksichtigen und priorisieren würden. Ihm oder ihr wird über das Einfühlungsvermögen mehr soziale Kompetenz zugeschrieben. Wer also zu wenig kommuniziert, fällt hier ab. Die zitierte Studie ergab u. a., dass Geführte eine Unterkommunikation in Führungsbeziehungen 10-mal häufiger wahrnahmen als ein zu viel an Kommunikation. Allein hierin liegt viel Sprengkraft in der Beurteilung gelingender Führungsbeziehungen, zumal es ja vorherige Befunde gibt, die ebenfalls in diese Richtung weisen.

Die Empfehlung ist also eindeutig: Führungskräfte müssen in der Regel intensiver kommunizieren, als sie es persönlich für ausreichend halten. Schaffen sie es dabei, den Eindruck zu vermeiden, sie täten dies nur, weil sie dem Anderen wenig ohne ihr Zutun zutrauen und drücken sie vielmehr eine positive Kompetenzwahrnehmung die Position des Geführten betreffend aus, könnten negative Auswirkungen einer „Überkommunikation“ sogleich abgemildert werden. Diese Empfehlung bezieht sich auf die aufgabenorientierte Kommunikation. Für die beziehungsorientierte Kommunikation wäre meine Vermutung, dass die Schwelle zur Überkommunikation noch ein Stück weiter entfernt liegt.  Interessant für den Führungsalltag auch, dass die Inhalte der Kommunikation und die Art und Weise des Rüberbringens sicherlich ebenfalls bedeutsam sind, dass aber die Häufigkeit (Länge, umfangsbezogene Intensität) ein eigenständiger Faktor für die mitarbeiterseitige Zuerkennung von Führung ist. Ganz überraschend ist der Befund nicht, denn ein anderer Forschungsstrang hat bereits ausgewiesen, dass die schiere Häufigkeit des Redens in einem Team positiv mit der Zuschreibung von Führung im Team korreliert (sicherlich gibt es da auch Umkippeffekte). Also gilt am Ende:

Möchten Sie führen oder als Führungskraft wahrgenommen werden?

Dann kommunizieren sie viel mit denjenigen, die Sie führen möchten.

Und kommunizieren Sie mehr, als Sie denken, dass es notwendig ist.

Sie haben dann die Wahrscheinlichkeit des Gelingens auf Ihrer Seite.

Flynn, F. J. / Lide, C. (2022): Communication Miscalibration: The Price Leaders Pay for Not Sharing Enough. In: Academy of Management Journal (online first)

Gilovich, T. / Savitsky, K. /Medvec, V. (1998): The illusion of transparency: Biased assessments of others‘ ability to read one’s emotional states. In: Journal of Personality and Social Psychology, 75(2), 332–346.