Coaching ist in aller Munde. Im Sport (z.B. Erhöhung der mentalen Stärke), im Organisationskontext (z.B. Verbesserung des Führungsverhaltens) oder in der Politik (z.B. medienwirksames Auftreten). Was ist unter Coaching zu verstehen und vor allem, wie wirksam ist es? Können und sollen Führungskräfte es lernen? Leadership Insiders liefert Fakten und fundierte Bewertungen.
Handlungskompetenz durch gelenkte Selbstentwicklung
Der Ursprung des Begriffs „Coaching“ liegt in der ungarischen Sprache. Dort wurde bereits im 15. Jahrhundert das heute als Kutsche bekannte Fortbewegungsmittel als „Kotscha“ bezeichnet. Damit ist bereits auf einen zentralen Aspekt von Coaching verwiesen, nämlich dessen Funktion als ein Hilfs- und Beförderungsmittel, um Menschen auf ein Ziel hin zu bewegen. Im anglo-amerikanischen Sprachraum wurde der Kutscher später dann als „Coachman“ bezeichnet (vgl. Böning 2000). Das entspricht im Grunde dem, was wir heute unter Coaching verstehen und wie folgt definieren:
Hiermit ist bereits ausgedrückt, dass der Moment und dessen denkbare Problematiken in der Regel zwar Auslöser eines Coachingprozesses sind, die hiermit verbundene Zielsetzung gleichwohl darüber hinausweist. Über die, wie der Deutsche Bundesverband Coaching (DBVC 2017) es formuliert, „Weiterentwicklung von individuellen wie kollektiven Lern- und Leistungsprozessen“, sollen somit zukunftsfähige Voraussetzungen geschaffen werden, die den Gecoachten („Coachee“) befähigen seine – hier: berufliche – Situation eigenständig und erfolgreich zu managen. Dauerhaft gelingen kann dies freilich nur, wenn Freiwilligkeit auf beiden Seiten, Vertrauen und Vertraulichkeit sowie Akzeptanz gegeben sind. Nur dann ist es möglich, „Anliegen zu klären, die ansonsten unausgesprochen bleiben“ (Rauen 2014, S. 2). Von einem professionellen Coaching ist schließlich dann zu sprechen, wenn der Coach eine anerkannt zertifizierte Ausbildung vorweisen kann.
Vier Formen des Coaching in Organisationen
Coaching in Organisationen gestaltet sich als sehr heterogen. Wir unterscheiden hier einerseits danach, ob es sich um eine interne oder um eine externe Lösung handelt, und andererseits danach, ob es sich um einen formellen oder informellen Prozess handelt. Daraus ergibt sich eine im Managementkontext extrem beliebte Vier-Felder-Matrix (… die Spötter deshalb als die im Management maximal zu handhabende Komplexitätsstufe ausgemacht haben):
Tab. 1: Ausformungen von Coaching im organisationalen Zusammenhang
Häufig wird Coaching in Organisationen dabei ausschließlich mit den beiden „offiziellen“ Handlungsfeldern formell/organisationsintern sowie formell/organisationsextern assoziiert. In der Literatur wird dann von Business Coaching (mit den zentralen Bereichen Workplace-Coaching, Leadership-Coaching und Managerial-Coaching) gesprochen (vgl. Böning 2015).
Paradox? Die Führungskraft als Coach
Besonders interessant sind jene Fälle, bei denen der Vorgesetzte als Coach agiert (Managerial-Coaching). Wird ihm diese Aufgabe offiziell übertragen, dann hat er eine Doppelrolle zu erfüllen: die des Vorgesetzten im Sinne von Leitung/Führung und die des Coach (Feld links oben). Aber auch wenn die Coaching-Rolle nicht offiziell fixiert wurde, kann der Vorgesetzte Coaching-Verhalten innerhalb seiner Rolle als Leiter/Führer ausüben; etwa indem er ein coachingorientiertes Führungsverhalten zeigt (Feld links unten).
Die Art der Zuteilung ist eine Sache, die Erfolgsträchtigkeit des Prozesses eine andere. Richtig ist in jedem Falle, dass gerade in der neueren Literatur die Vorgesetztenposition gerne auch mit der Funktion des Coaches in Verbindung gebracht wird. Grund ist die attraktive Vermischung von faktischer Autorität und informeller Orientierung an emanzipatorischen Idealen. Über die Erhöhung der Selbständigkeit des Mitarbeiters wird den zunehmenden Erfordernissen nach Flexibilität, gar einem Mitunternehmertums, gut entsprochen. Ausgeblendet wird jedoch, dass es einen professionellen Unterschied in der Befähigung zum Coaching gibt und dass Führungs- und Coachingbeziehungen sich häufig nicht ergänzen, sondern entgegenstehen. Es kann dann nicht darauf vertraut werden, dass Vorgesetzte qua Coaching gewonnene Erkenntnisse nicht auch in führungsbezogene Entscheidungen miteinfließen lassen (z.B. Karriereentscheidungen) – und sei es unbeabsichtigt. Das gilt mitunter selbst für ein scheinbar rein fachliches Coaching, wo Fach- und Persönlichkeitsfragen sich plötzlich überlagern und eine vertrauliche Öffnung des Coachee bedingten. Zudem ist dasVerhältnis zum (nächsthöheren) Vorgesetzten oftmals selbst Anlass oder Gegenstand eines Coaching.
Was mit Managerial-Coaching also realistischer Weise nur gemeint sein kann, ist die Aufforderung, Methoden des Coaching in die eigene Art und Weise des Führungsverhaltens zu integrieren, wo möglich also nicht direktiv zu agieren, sondern Selbsteinsicht zu fördern, Lernarenen auszuweisen, gemeinsam zu reflektieren, und dies immer im Bewusstsein dessen, als Vorgesetzter „zwei Hüte“ aufzuhaben und Anstandsgrenzen nicht überschreiten zu dürfen.
Coaching ist wirksam
Wie bereits gesagt, offenbart sich die Wirksamkeit von Coaching in der Qualität der erzielten Ergebnisse. Diese können dabei sowohl kurz- als auch langfristiger Art sein (vgl. zum Folgenden auch Greif 2016; Heß/Roth 2012, S. 64ff.). Die Ergebnisqualität kann anhand unterschiedlichster Indikatoren bemessen werden. Zu beachten ist allerdings, dass die Ergebnisqualität stets abhängig ist von der:
- Strukturqualität: Diese definiert sich ganz wesentlich über die jeweiligen Eigenschaften des Coachs (z.B. Ausbildung, Professionalität) und Coachees (z.B. Erwartungen, Optimismus, Veränderungsmotivation), wie auch über spezifische Anforderungen an den Organisationskontext (Organisationskultur, Transferklima, finanzieller und zeitlicher Rahmen).
- Prozessqualität: Diese rückt die Qualität der Abläufe in den Fokus, sprich: die gezeigten Verhaltensweisen von Coach und Coachee (z.B. Achtsamkeit) sowie deren Beziehungsqualität (gegenseitiges Vertrauen, Akzeptanz, Sympathie und Respekt).
Eine aktuelle Auswertung von Meta-Analysen im Anwendungsfeld des Business-Coaching liefern Kotte und Kollegen (2016). Sie werteten die Ergebnisse von vier Überblicksstudien aus. Für die generelle Wirksamkeit von Coaching über verschiedene Ergebnismaße hinweg zeigt sich in den Meta-Analysen eine Bandbreite von immerhin schwachen bis hin zu mittleren sowie starken Effekten.
Böning (2015, S. 387) hat verdienstvollerweise 61 Studien im Bereich des Business Coaching ausgewertet, die wir in die untere Form gebracht haben. Dadurch gewinnen wir einen guten Einblick in die differenzierte Wirksamkeit.
Tab. 2: Studien im Business-Coaching (vgl. Weibler 2016, S. 400)
Insgesamt belegen die Studien die Wirksamkeit des Coaching in den untersuchten Fällen. Allerdings zeigen sich zwischen den Meta-Analysen sowie auch innerhalb einzelner Meta-Analysen starke Bandbreiten an Effektstärken, will heißen: Coaching wirkt nicht immer gleich stark. Entscheidend kommt es auf das „Wie“ und „unter welchen Bedingungen“ an. Auch sollte mitbedacht werden, dass unintendierte „Nebenwirkungen“ auftreten können. Zentraler Auslöser für negativer Effekte des Coaching sind Probleme, die im Coachingprozess nicht mehr oder nicht angemessen bearbeitet werden können (z.B. weil sie in die Psychotherapie hineinreichen, Zeit oder Geld zur Weiterverfolgung fehlt, oder weil sich zwischen Coach und Coachee keine Einigung über Ursachen und Vorgehensweisen erreichen lässt; Schermuly u.a. 2014 – Befragung der Binnensicht von 123 Coaches).
Was bleibt?
Coaching ist ein prinzipiell sinnvolles Verfahren. Berufliche Umbruchsituationen, Reflexion der eigenen beruflichen Rolle oder des Führungsstils sowie die „Persönlichkeitsentwicklung“ sind nach der obigen Studie des Teams um den Wirtschaftspsychologen Schermuly häufig genannte Anlässe.
Ein formelles Coaching in Organisationen wird mit beachtenswerter Wahrscheinlichkeit positive Wirkungen generieren, sofern das Coaching akzeptiert wird. Zielpersonen sind meistens, auch aus finanziellen Gründen, Führungskräfte. Eine fundierte Evaluation des Erfolgs findet in den Organisationen häufig allerdings nicht statt, schon gar nicht in ökonomischer Hinsicht (Zeit und Geld vs. Veränderungsfolgen; siehe dazu das Weiterbildungscontrolling). Das Coaching gleicht damit manch anderen Instrumenten der Personalentwicklung.
Die Annahme einer hohen Ergebnisqualität von Coaching hängt allerdings von vielfältigen Faktoren ab. Sicherlich ist die Qualität des Coaches hier von hoher Bedeutung. Ein bewusster Auswahlprozess von Coaches (ob intern oder extern) ist für die Effektivität von Coaching deshalb zentral. Aber auch Rahmenbedingungen müssen passen. Bei beabsichtigten Verhaltensänderungen oder Potenzialentfaltungen in Organisationen muss von daher immer bedacht werden: Fähigkeiten und Motivationen können beeinflusst, manchmal gar sehr gut trainiert werden; aber wer Führungskräften beispielsweise mehr Mut für Innovationen durch Coaching vermitteln möchte, der muss dann auch den Freiraum hierfür mitliefern!
Ob ein formelles Coaching in Organisationen in einer konkreten Situation hilfreich eingesetzt werden kann, muss im Einzelfall entschieden und abgewogen werden. Eventuell ist es bei tieferliegenden Problemen, die eine intensivere Bearbeitung erfordern, und/oder bei ausgewählten Personen oder spezifischen Sachverhalten besonders sinnvoll. Informelles Coaching (z.B. durch einen coachingorientierten Führungsstil oder Peer Coaching) ist im Rahmen der jeweiligen Möglichkeiten als Reflexionsimpuls generell empfehlenswert. Dies kann angeregt und durch pragmatische Handreichungen seitens der Organisation unterstützt werden. Der Einzelne findet inzwischen (kommerzielle) Internetplattformen, die sich dem Coaching verschrieben haben und hilfreiche Tools for Free offerieren. Selbst Coaching-Apps, v.a. zur Förderung der Selbsteinsicht des Coachees, sind mittlerweile vorhanden (z.B. UBcoach, Coaching Moments oder die Systemische Fragen-App). Allerdings muss vor hemdsärmeligen Überschwang gewarnt werden: Eine emotionale Intelligenz, unverzichtbar zur Ausübung eines Coachings, sowie ein Mindestmaß an Einsichtsfähigkeit, sind nicht mit Buttonklick downzuloaden.