In der Reihe „Die wissenschaftliche Studie“ stelle ich in loser Folge interessante wissenschaftliche Studien dar und verdichte sie dabei auf das Wesentliche. Zum einen wähle ich sie aus, weil die Ergebnisse auch für Führungspraktiker nützlich sein könnten. Dazu zählt auch, die eigene Reflexion über Führung zu befördern. Zum anderen, weil man als Anwender mehr darüber erfahren sollte, wie Führungswissen jenseits des Anekdotischen entsteht – auch wenn dies hier nur beispielhaft geschehen kann.
Ausgangssituation
Kommunikation ist für die Führung zentral. Augenscheinlich gibt es Formen der Kommunikation, die anderen in ihrer Wirkung überlegen sind. Dies wird seit der Antike studiert. Immer wieder verdichtet sich die Suche darauf hin, ob es Stilmittel gibt, die den Zuhörer bzw. Zuhörerin so einnehmen, dass von einer charismatischen (besser: charismatisch wirkenden) Kommunikation gesprochen werden kann.
Theorie
Charismatisch Führende sind nach Auffassung der Autoren Individuen, die ihre Vision ihren Geführten gegenüber so kommunizieren können, dass diese ermutigt werden, ihre eigenen Ziele der kommunizierten Vision unterzuordnen. Die Rhetorik ist ein zentraler Weg für den Führenden, seine Erfolgschancen zu erhöhen.
Eine rhetorische Kommunikation des Führenden zeichnet sich durch acht Merkmale potenziell aus:
- Bezug zu den Interessen der ganzen Organisation
- Deutliche Verbindung zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart
- Bedeutung der Geführten zur Umsetzung der Vision herausstreichen
- Ähnlichkeit der Interessen zwischen Geführten und Führendem stärken
- Werte und moralische Rechtfertigungen für das Vorhaben betonen
- Visionen wählen, die nicht durch eine einzelne Zielerreichung als eingelöst verstanden werden können
- Klar erkennbare Handlungsaufforderung formulieren
- Verdeutlichen, dass der zukünftige Zustand dem jetzigen überlegen ist.
Empirie
Wie in diesem Bereich durchaus üblich, werden die Reden von politischen Führern analysiert. Ich selbst habe das einmal mit den Reden von Barack Obama (2010) gemacht und andere Kolleginnen und Kollegen aus anderen Disziplinen eingeladen, hierzu ihre Sicht zu formulieren. Die Autoren dieser Studie haben Debatten um die US-Präsidentschaft der Jahre 1960-2012 hinsichtlich der oben angeführten rhetorischen Merkmale analysiert. Dazu benutzten sie eine Textanalyse-Software. Als Erfolgsmaß dienten die dann für den jeweiligen Kandidaten bei der tatsächlichen Wahl abgegebenen Stimmen.
Die Forschergruppe identifizierte vier voneinander getrennte rhetorische Figuren (Cluster). Die erfolgreichste rhetorische Figur war die (in 30% Verwendung), die auf keiner Dimension die schwächste war, aber in der Betonung der Ähnlichkeit zwischen Führendem und Geführten (4), der Wertschätzung für die Geführten (3), der Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart (2) und in der Demonstration der Vorteilhaftigkeit des neuen Zustands gegenüber dem alten (8) Höchstwerte besaß. Diese rhetorische Figur wurde gerade in jüngerer Zeit überproportional vertreten.
Diese Studie liefert für die Ausrichtung von Reden in Organisationen eine überzeugende Hilfestellung. Insbesondere dann, wenn schwierige Zeiten durchlaufen werden müssen oder aber große Vorhaben angegangen werden müssen.
Folgerungen
Um rhetorisch zu überzeugen, sollten also mehrere Substrategien bedacht und angewandt werden. Als entscheidend hat sich eine bestimmte Konfiguration herausgestellt, die einmal mehr bestätigt, dass das Wechselspiel von Elementen oftmals genauso wichtig ist wie die Elemente selbst. Diese Studie liefert für die Ausrichtung von Reden in Organisationen, insbesondere dann, wenn schwierige Zeiten durchlaufen werden müssen oder aber große Herausforderungen vor der Tür stehen, für diejenigen, die sich über Reden an andere wenden, eine überzeugende Hilfestellung. Überzeugend ist sie auch deshalb, weil sich in ihr Elemente finden, die sich anderenorts ebenfalls bewährt haben. Wie immer gilt aber bei Reden, dass nur das eine Wirkung entfaltet, was man als Redner authentisch herüberbringen kann. Schlechte Redner kopieren, gute Rednerinnen halten Augen und Ohren offen, und prüfen, was sie mit Blick auf ihre eigenen Überzeugungen und Erfahrungen gebrauchen können. Dieses muss dann harmonisch und ausbalanciert in Einklang gebracht und passend zum Kontext herübergebracht werden. So würde man in unserem Beispiel zwar alles aufnehmen, aber dort den inhaltlichen und emotionalen Schwerpunkt wählen, wo man wirklich etwas zu sagen hat. Hätte man gar nichts anzubieten, dann ist der Verzicht auf eine Rede als Führungsinstrument die bessere Wahl. Wer hat dies nicht selbst schon beim Zuhören leidvoll erleben müssen? Deshalb gilt: Auch die Erkenntnis um die Begrenztheit des einem selbst Möglichen macht gute Führungskräfte aus.
Literatur
Bauer, J.E. u.a. (2016): More than one way to articulate a vision: A configurations approach to leader charismatic rhetoric and influence. In: The Leadership Quarterly, 27, S. 156–171
Weibler, J. (Hg.) (2010): Barack Obama und die Macht der Worte, Wiesbaden
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